Aufmerksamkeit ( Tipp im Monat Januar 2022)

Was buddhistische Mönche seit langer Zeit praktizieren, findet auch im Westen immer mehr Anhänger. Achtsamkeit ist in der Gesellschaft angekommen.

Praktizieren wir täglich und regelmäßig entsprechende Übungen, reduziert sich der Stress, Depressionen und Schmerzen werden gelindert, die Telomerase-Aktivität kommt in Schwung, jenes Enzym, das verkürzte Telomere, die Endstücke der Chromosomen, wieder repariert und damit den Alterungsprozess verlangsamt, und die Dichte der grauen Substanz im Gehirn, die für Lernen, Emotionen und perspektivisches Denken zuständig ist, nimmt zu.
Diese Qualitäten kommen uns auch im Beruf zugute: Eine Analyse der Achtsamkeitsforschung durch ein Team der Case Western Reserve Universität in Cleveland/ Ohio untersuchte 4000 wissenschaftliche Berichte zu den Einflüssen  von Achtsamkeit am Arbeitsplatz und bei der Arbeit. Einer der Ko-Autoren der Studie, Christopher Lyddy, meinte, dass es bemerkenswert sei, dass die positiven Effekte der Achtsamkeit die menschliche Arbeit auf jedem Gebiet positiv beeinflussen würden. Die Zufriedenheit mit der Arbeit wächst, die Konzentrationsfähigkeit, die Wahrnehmungsfähigkeit und das Verhalten verbessern sich.

Während unsere Gedanken etwa die Hälfte der wachen Zeit umherwandern, konnten Menschen, die in Achtsamkeit trainiert wurden, der Vergleichsanalyse zufolge visuellen und auditiven Aufgaben länger aufmerksam folgen.
Relativ unbekannt ist die neue Erkenntnis, dass Achtsamkeit das Miteinander verbessert- auch und gerade im Beruf. Da der Fokus der Forschung bislang auf dem persönlichen Erleben des Einzelnen lag, muss die berufliche Auswirkung noch verbreitet werden. Und gerade da könnte es segensreich wirken. Denn im Stress kochen leicht Emotionen hoch und von Impulskontrolle kann keine Rede mehr sein. Das Limbische System, das das Reiz-Reaktions-Muster im Gehirn steuert, kann auf ein auslösendes Moment wie ein wütender Tiger reagieren. Wer Achtsamkeitsübungen praktiziert, lernt, dieses Muster zu unterbrechen. Professor Andreas Michalsen, Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus, Berlin und Professor für Klinische Naturheilkunde an der Berliner Charite`nennt die wichtigsten Wirkmechanismen der Achtsamkeit:
– Distanzierung vom eigenen Leiden und
– das Nicht-Bewerten.
Meist belegen wir alles, was passiert, mit einem Gefühl, vorwiegend mit einem negativen.
Mit der Achtsamkeitsmeditation lernt man, sich von solchen Denkmustern zu lösen. Meditiert man regelmäßig, verfestigt sich das Nicht-Bewerten – in Situationen, die ich ohnehin gerade nicht ändern kann.

Neben der beruhigen Wirkung auf das Nervenkostüm
zeigt die Praxis auch erstaunliche Effekte auf das soziale Miteinander. Die Kommunikation mit anderen wird verbessert, weil man nicht gleich alles zu kommentieren versucht, sondern die Dinge erst einmal wahrnimmt, wie sie sind. Selbst wenn man Ärger verspürt, verliert man nicht die Kontrolle, sondern kommt in eine Beobachterposition und wird milder, freundlicher und agiert mehr aus dem Herzen.

Wissenschaftler um Liangtao Yu von der Universität British Columbia fanden in drei Feldstudien heraus, dass auch in der Teamarbeit bei achtsamem Verhalten zwischenmenschliche Konflikte verringert sind und sich die Teams besser auf die anstehende Arbeit konzentrieren können. Darüber hinaus ließen Gruppenmitglieder ihre Frustration über eine bestimmte Aufgabe weniger in einem persönlichen Konflikt mit den Kollegen aus.

Was im Beruf gut funktioniert, ist auch für die Familie erstrebenswert. Doch das ist häufig gar nicht so leicht. Sehr wirkungsvoll ist es, die Achtsamkeit vorzuleben. Bewusstes Atmen, Pausen machen, wertschätzend zu sprechen und im Blick zu haben, ob man selbst überhaupt achtsam handelt. Mit demselben Weg kann man diese persönliche Haltung auch im Freundeskreis Raum geben, ohne zu missionieren. Sollte die Idee, achtsamer zu leben, nicht auf Begeisterung stoßen, muss ich mich vielleicht fragen:“ Warum will ich das etablieren? Kommt da eventuell eine unterschwellige Botschaft mit hinüber, so wie du bist, bist du nicht in Ordnung, und ich will es richten?“ In diesem Punkt braucht es Ehrlichkeit und Akzeptanz, dass die anderen es nicht wollen oder brauchen. Noch nie hat es was gebracht, wenn jemand etwas mit Widerwillen macht.

Folgendes kann helfen, Achtsamkeit zu entwickeln:

1.) In die Natur gehen:
Wenn man alleine unterwegs ist, alles intensiv wahrnehmen, was man sieht, hört oder riecht. Mit Kindern wird das langweilig, dann hilft es, die Aufmerksamkeit auf die kleinen Sensationen am Wegesrand zu richten: eine letzte Walderdbeere, Steine, die wie Fantasiefiguren aussehen, einen Käfer,…Das schult die kindliche und die eigene Achtsamkeit und hebt die Stimmung.

2.)Den Tag Revue passieren lassen
Was hast du Schönes erlebt, worüber hast du heute gelacht? Ein Gespräch über die guten Seiten des Tages vorm Einschlafen hilft dabei, den Blick auf das Positive zu richten. Das macht Kinder und Eltern glücklich.
Sollten Sie alleine leben, können Sie das in Form eines
Dankestagesbuches machen, dem man abendlich alle positiven Erfahrungen des Tages anvertraut.

3.) Bewusstes Atmen
Damit können Sie schon am Morgen beginnen, indem Sie gleich nach dem Aufwachen den Atem wahrnehmen.
Nicht lenken, bewerten, nur ein- und ausatmen. Bleiben Sie mit geschlossenen Augen fünf Minuten bei diesem gewahrsamen Sein.

4.) Die Perspektive wechseln
Im Berufsverkehr man schon mal genervt sein, über den langsamen Autofahrer oder den Lümmel neben mir im Bus. Wenn Sie sich dabei erwischen, dass Sie z.B. ein „ Nun fahr doch!“ loslassen möchten, sagen Sie laut STOP und kehren Sie zum achtsamen Wahrnehmen zurück. Welche Farbe hat das Auto vor mir, welche Farbe das neben mir? Wofür steht denn das Kennzeichen?… Wenn Sie merken, dass Sie ruhiger werden, lassen Sie einen friedlichen Perspektivwechsel zu. Vielleicht verhindert die Schnecke vor mir ja, dass ich in eine Radarfalle gerate oder in einen Unfall verwickelt werde? Ein Zustand der Dankbarkeit entspannt das ganze System.

5.)Achtsam essen
In unserer schnelllebigen Gesellschaft haben wir uns oft ein schnellen, hastiges Hineinschlingen angewöhnt. Da ist achtsames Essen eine Herausforderung. In Gemeinschaft können Sie z. B. vereinbaren, fünf Minuten gemeinsames Essen ohne Sprechen, nur kauen, atmen, den Geschmack wahrnehmen. Danach darf jeder wieder in sein gewohntes Fahrwasser zurück. Nach einer Woche wird die ungewohnte Übung zur Routine.
Die Achtsamkeit beim Essen können Sie auch praktizieren, wenn Sie alleine essen.

 

 

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