Kreise der weiblichen Kraft ( Tipp im Februar 2022)

In unserer Kultur herrscht eine große Geschlechterverwirrung, Männer wissen nicht mehr, was Männlichkeit/Mann sein  bedeutet, Frauen nicht mehr, was Weiblichkeit heißt. Eine Rückbesinnung auf das, was wirklich Weiblichkeit/ Männlichkeit bedeutet, kann helfen, Heilungsprozesse in Gang zu bringen.

Es gibt viele Artefakte von Mutter- und Fruchtbarkeitsgöttinnen aus der Steinzeit, besonders in Südosteuropa, dort, wo viele Forscher eine hochentwickelte Zivilisation, die Donauzivilisation, vermuten. Die Verehrung von Muttergottheiten, die frühesten Vorstellungen einer Gottheit in weiblicher Darstellung, die große Mutter, ließ die Vermutung eines Urmatriachats, einer mutterrechtlich organisierten Gesellschaft entstehen, die irgendwann vom Patriachat abgelöst wurde.

Wichtige Funde dieser Kultur sind:
-Die Venus von Willendorf , eine 1908 entdeckte, rund 11 cm große und knapp 30.000 Jahre alte Venusfigurine aus dem Gravettien, die bei vielen Forschern als älteste Darstellung einer Muttergöttin gilt.
– Der Kessel von Gundestrup, ein reich verzierter silberner Kessel aus der Latenezeit (5. bis 1. Jahrhundert v. Chr.), der in Dänemark gefunden wurde und wird  trotz typisch germanischen Siedlungsgebiet den Kelten zugeordnet, aber von den Trakern hergestellt worden zu sein scheint.
Kessel spielten bei den Kelten und evtl. auch den Germanen eine große mythologische Rolle, die dann die Grundlage für den Heiligen Gral bildeten. Dieser symbolisiert das Weibliche, die Suche der Ritter nach dem Heiligen Gral, die spirituelle Suche des Männlichen nach dem spirituell Weiblichen, der Wunsch nach der Vereinigung von männlichen und weiblichen Aspekten. Der Gral und die Gralssuche waren im Mittelalter jedenfalls eine ganz wichtige Erzählung, eine archetypische Reise, die die Kultur, das Verständnis von Rittern, von Männlichkeit und Religiosität prägte. Er war ein ureuropäischer Mythos, der vielleicht auch durch die verlorene Muttergöttin, durch den verloren gegangenen weiblichen Aspekt Gottes getragen wurde.

Wir wissen jedoch zu wenig, um detaillierte Aussagen über die damalige Gesellschaftsform machen zu können. Gott ist so abstrakt/ unfassbar, dass wir ihn nicht mit Geschlechterrollen profanisieren können.

Auf jeden Fall ist jedoch zu beachten, dass Gott, wie er sich uns offenbart, auch einen weiblichen Aspekt hat. Das Göttlich-Weibliche zu negieren, zu beschneiden, zu verneinen, beschneidet uns in unserer spirituellen Entwicklung

In den alten Kulturen gab es dieses Göttlich-Weibliche, das verloren gegangen ist und gar nicht mehr Gegenstand religiösen Denkens ist.
Ein weiterer Aspekt der Gottesmutter ist Gaia, Mutter Erde. Alle Urreligionen stellen sich die Erde als Mutter, den Himmel als Vater vor. Und wir sprechen auch von der Muttersprache, von Mutter Erde und von Mutter Natur.

Aus der Verbindung von Vater und Mutter entsteht das Leben. Die Verbindung zum Göttlich-Weiblichen beinhaltet auch immer die Verbindung zu Mutter Natur, die heute in der technisierten, nach Fortschritt und Ausbeutung strebenden Gesellschaftsform komplett verloren gegangen ist. Die Heilung dieses Aspektes, auch für Männer, bedeutet die Aussöhnung mit der Natur und auch die Möglichkeit, sich wieder an die zyklischen Entwicklungen zu erinnern.
An den Jahreszeiten sehen  wir dieses Zyklische ganz deutlich. Und auch der Mond hat bestimmte, regelmässig wiederkehrende Abläufe und  ist einer der ältesten Zeitmesser, der den Menschen bekannt ist. Sein Kreislauf ist auch Grundlage von Kalendersystemen und mit unserem Gefühlsleben und auch  mit dem Menstruationszyklus  sehr stark verbunden. Früher war es Allgemeinwissen, daß der weibliche Zyklus mit dem Mond zusammenhängt, sie eine enge Wechselbeziehung zueinander haben. Dieses Wissen ist verloren gegangen und wurde unterdrückt.
Der Mond steht für das Wasser, das Gefühlsleben, für Flüssigkeiten. Und der Mensch besteht zu einem großen Prozentsatz aus Wasser, auch Blut ist eine Flüssigkeit. Dieses Wissen wurde aus schulmedizinischer Sicht negiert, angezweifelt .Im Januar 2021 hat eine Professorin der Neurobiologie der Uni Würzburg mit einem Forscherteam die Synchronisierung weiblicher Zyklen mit den Zyklen des Mondes untersucht und bestätigt. Bis zum 35-igsten Lebensjahr ist noch etwa ein Viertel der Frauen synchron, ab 35 ist es nur ein Zehntel der Frauen. Man ist zu dem Ergebnis gekommen, dass er durch das viele künstliche Licht gestört wird. Früher gab es dieses künstliche Licht nicht, und Frauen konnten mehr auf den Mond eingetaktet sein. Man geht davon aus, dass die Synchronizität mit dem Mond auch die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden erhöht. Ein weiterer interessanter Aspekt ist, wie der Planet Venus eher mit dem Weiblich-Sexuellen verknüpft ist, der für einen Umlauf  9 Monate braucht, die Zeit der Schwangerschaft.
Während des Zykluses durchläuft auch die Frau durch hormonelle Veränderungen unterschiedlichen Phasen.

Im Hinduismus ist der Himmel auch heute noch voll von Göttinnen. Göttinnen werden in der Mythologie oft als Gemahlinnen von Göttern dargestellt oder als der weibliche Aspekt der jeweiligen männlichen Gottheit ( z.B. Kali-Shiva). Dort bezeichnet man diese weiblichen Aspekte als Shakti, d. h. die wirkenden Kraft eines Gottes oder auch  die Schwingungsform, die durch Klänge entstehen.

Im Christentum haben wir den Heiligen Geist, der wie die Gegenwart Gottes in der Welt ist. Ganz zu Anfang gab es Strömungen, die sich diesen Heiligen Geist als weiblich vorstellten.
Dafür haben wir heute noch zwei Frauendarstellungen, Eva und Lilith: Lilith wird mit etwas eher eher „Dunklem“, dem Archetyp der Hexe, Magierin, der weisen Frau assoziiert, während Eva eher als rein mütterlich gesehen wird und im Christentum bevorzugt gezeigt wird. .

Bemerkenswert ist, dass, bevor Mohammed Mekka erobert und für den Islam in Besitz genommen hat, um die Kaaba ein Heiligtum von Göttinnen war. Ein altarabischer Kult um den weiblichen Aspekt  wurde durch einen männlich betonten Kult ersetzt. Auch in heute eher frauenfeindlichen Kulturen zeigt sich in den Wurzeln doch eine kultische Nähe zu zum weiblichen Aspekt. Interessant ist, dass die Zeichen für den Islam, Mond und Stern = Venus , zwei weibliche Symboliken sind. Weiter gilt die Farbe grün, die Farbe des Islams, auch als Farbe der Liebe und der Venus. Der Freitag, der Venustag ist Gebetstag im Islam.

Heute gingen Initiationsrituale, besonders die Einführung der Jugendlichen in den Kreis der Erwachsenen, wie es noch bei den Naturvölkern praktiziert wird, verloren. Es geht darum, ein “ Stirb und werde“ zu durchleben, z.B. ins Menstruationsgeschehen und in die Mysterien der Liebe eingeweiht zu werden, um seine neue Rolle ganz einnehmen zu können. Oft geschieht es nun gar nicht mehr oder auf eher beschämende Art und Weise.  Auch das mag ein Grund für einen allgemeinen Identitätsverlust sein.

Die Initiation vom Mädchen zur heiratsfähigen Frau spielt in zahlreichen Märchen noch  eine Rolle, zum Beispiel in Schneewittchen und die sieben Zwerge und in Dörnröschen, wie es hier exemplarisch dargelegt werden soll. Vorher möchte ich noch erwähnen, das gerade Dörnröschen eine weite Verbreitung bis nach Griechenland, Großbritannien und sogar Russland hat.

Zur Geburt seiner Tochter veranstaltet der König ein Freudenfest und lädt weise Frauen des Landes ein. Das sind 13. Er hat aber nur 12 goldene Teller, von denen sie essen können. Deshalb lädt der König die 13.te weise Frau nicht ein. Als die weisen Frauen gerade ihre guten Wünsche äußern und sie bei der elften sind, stürmt die dreizehnte herein und sagt, dass sich Dornröschen mit 15 Jahren mit einer Spindel stechen und tot umfallen werde. Dann geht sie und alle sind zutiefst erschrocken. Darauf wünscht die zwölfte Frau, dass Dornröschen „ nur“ in einen hundertjährigen Schlaf fällt, um den Wunsch zu mildern, der nicht aufgehoben werden kann. Mit 15 geht Dornröschen in einen Turm, trifft dort auf eine alte Frau mit Spindel und  erfüllt die Prophezeihung. Alle fallen zu diesem Zeitpunkt in den Dämmerschlaf, Rosen wachsen über allem. !00 Jahre schläft Dornröschen, viele Prinzen machen sich auf den Weg, doch erst nach 100 Jahren ist die Initiation vollendet.
Der Vater lädt nur 12 weise Frauen ein. 12 ist das solare, männliche Prinzip, das 12 Monaten entspricht. 13 symbolisiert die 13 Mondmonate. Der Vater versucht dadurch, dass er nur 12 weise Frauen einlädt und indem er alle Spindeln beseitigen lässt, die Initiation der Tochter ( durch den Stich in den Finger) zu verhindern.
Auf einer Spindel wird ein Faden gesponnen, dieses spiralenförmige, die kosmische Ordnung symbolisierende. Faden und Spindel sind als Attribute weiblicher Göttinen und spiritueller Weiblichkeit zu verstehen, die das Weibliche mit dem Schicksal und dem Wissen um das Schicksal verknüpfen, es geht vor allem um die Spirale, die die zyklische Natur unserer Schöpfung ist, und das Spirituell-Weibliche hat das Wissen darum.
Das Märchen enthät auch den Widerstreit zwischen männlichem und weiblichem Prinzip, Matriachat und Patriachat.
In unserer abendländischen Volkstradition gibt es das Wissen um die weisten Frauen und die Mondkraft.

Wurde die Idee der Muttergöttin und die weibliche Spiritualität und Sexualität  bewusst unterdrückt, und was hat es mit unserer Kultur gemacht?

Die Hexenverfolgung brachte systematische Verfolgung und Ermordung weiser Frauen. Das alte Urwissen wurde ausgerottet, denn es war nicht schriftlich niedergelegt, evtl. wurde vieles in Form von Märchen, in der Alchemie bewahrt. Es begann ein Kampf gegen die große Göttin, die weibliche Spiritualität und weibliches Wissen. Es ist Menschheitswissen, wenn ein Teil fehlt, wird auch den Männern ganz viel genommen.

Ein weiterer Kampf gegen die Weiblichkeit ist der Feminismus. Er ist aus dem Geist des Marxismus erwachsen und setzt sich für Geschlechterkampf ein. Doch die Geschlechter wurden geschaffen, einander zu lieben.
Der durch Feminismus und kapitalistische Wirtschaftsordnung  erzeugte Druck impfte uns ein, dass die Frau in einer Männerrolle erfolgreich leben soll, eine dem Weiblichen entgegengesetzte Bestimmung.
Leider wurde das Frauenbild  auch sehr sexualisiert und die Sexualität profanisiert, doch diese ist etwas Heiliges; es geht um Qualität und nicht Quantität. Unsere Gesellschaft braucht keine Sexbomben, sondern die Archetypen der Mutter, der Weisen, die Hexe, die sich mit Spiritualität,… beschäftigt.

Vielen Frauen fällt es im Alltag schwer, ihren eigenen Zugang zu ihrer weiblichen Kraft zu finden, zu spüren und sich von ihr tragen zu lassen.
Das ist angesichts unserer Geschichte nicht gerade verwunderlich denn die Frauen in der Generation nach dem Krieg mussten während der schwierigen Zeiten oft durchhalten und die Zähne zusammenbeißen. So ist es verständlich, dass sie darin eingeschränkt waren, ihre weibliche, weiche Seite zu entfalten und diese als gelebtes Wissen an ihre Töchtern weiterzugeben. Doch diese Entwicklung geht schon viel länger: der Gedächtnisverlust und die Unterdrückung sind in erster Linie darauf zurückzuführen, dass unsere angeborene Heilungsnatur gnadenlos, gewaltsam und in erschreckender Weise von denen geschändet wurde, die die Macht des Heiligen Weiblichen auslöschen wollten.

Noch dazu ist unsere westliche Kultur extrem durch eine eher männliche, nach außen gerichtete Einstellung geprägt. Der hohe Wert von Aktivität, Arbeit und Leistung sowie die Konzentration auf Beurteilung von Außen führen dazu, dass wir uns häufig mit hohen Ansprüche an uns selbst konfrontieren. Wir wollen Erwartungen entsprechen, stark sein und stehen unter Anstrengung um diesen gerecht zu werden.

Wenn wir uns jedoch naturverbundenen Traditionen mit uraltem Wissen zuwenden – zum Beispiel der indischen oder der chinesischen Kultur oder auch dem feinen Gespür unseres Körpers- wird deutlich, dass die weibliche Kraft etwas anderes braucht, um sich zu entfalten. Ihre Art zu wirken ist der Weg des Herzens, des Innehaltens, Fühlens und Empfangens, sich Öffnens, Zulassens, Loslassens und Annehmens. Weibliche Energie hat viele Facetten – sie kann gefühlsbetont, kreativ, entschlossen, zerstörerisch, wild, bunt, beschützend, klar, ruhig, lustvoll, sanft, einfühlsam, weise, hingebungsvoll, körperbezogen sein und ist verbunden mit unseren Zyklen und mit der Erde. Wie der Atem, der ein und ausströmt, dehnt sie sich aus und zieht sich wieder zusammen und folgt dabei ihrem eigenen lebendigen Rhythmus. Um ihn zu erspüren, braucht es Raum und Zeit. Um vertraut zu werden mit unserer inneren Stimme, brauchen wir Ruhe und einen sicheren Ort, um uns zu öffnen- dann hören wir sie.

Im Frauenkreis
Diesen besonderen Raum erschaffen wir, wenn wir im Frauenkreis zusammen kommen. In ihm erspüren, erinnern und feiern wir unsere weiblichen Aspekte, unser Sein. Indem wir uns erden und indem jede Frau sowohl durch die anderen Frauen als auch durch den Kreis unterstützt, gehalten und getragen ist, nähren wir unsere weibliche Kraft. Wir teilen uns mit und hören einander in Gesprächsrunden zu, singen, räuchern, fühlen, folgen unseren Impulsen und meditieren. Wir bestärken uns darin, uns nicht zurückzuhalten, um einer Vorstellung davon zu entsprechen, wie wir vielleicht sein sollten, sondern uns ganz auf das einzulassen, was uns bewegt. So folgen wir unserer Intuition und verleihen unseren Gefühlen mutig und frei Ausdruck. Der Kreis ist mal lebendig, mal ganz ruhig und ohne viele Worte.
Möglicherweise kommt eine Frau auch einfach zum Kreis um sich anzulehnen und die wärmende Atmosphäre zu genießen, in der sie nichts weiter tun muss als einfach nur da zu sein, wenn es das ist, was ihr gerade gut tut.

Wir können die Verwundung, die der kollektiven weiblichen Schwingung zugefügt wurde, weder übersehen noch bagatellisieren. Das tiefe Trauma, das all jene erlitten haben, männlich und weiblich, die die Fackel für die Göttin trugen und daraufhin verfolgt wurden, ist etwas, das bewusste, mutige Schritte zur Heilung erfordert.